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Rückreise aus Brasilien in Zeiten von Corona

Ein Schicksal voller Pannen. Mein Vater (75) ist heute mein Gastautor mit einer nahezu unwirklichen Reisegeschichte, die sich über 8 Monate zog – und von der er fast nicht mehr zurück nach Deutschland gekommen ist: Geschlossene Flughäfen, stornierte Tickets, verwirrte Behörden – und das alles in der Corona-Pandemie. Seine Reise und Pannen hatte er per Mail geschickt und mir freundlicherweise das OK gegeben, diese ganz Geschichte mit Euch zu teilen und vielleicht den ein oder anderen Schmunzler zu erzeugen. Vielleicht kennt Ihr ja ähnliche Geschichten von Reisenden? Oder musstet selbst von irgendwoher zurückkommen? Oder seid einfach neugierig 🙂 In jedem Fall wünsche ich Euch viel Spaß beim Lesen!

Alles begann im Oktober 2019. Seit über 10 Jahren verbringen meine Frau und ich den europäischen Winter in Brasilien, im Nordosten des Landes, wo im ganzen Jahr normalerweise Temperaturen zwischen 25 – 30 Grad herrschen, mit sporadischen Abweichungen. Und so war es auch im Winter 2019/2020 geplant und vollzogen, diesmal jedoch mit etlichen Pannen.

#1 Der Pannenaufzug

Die Flugreise nach Brasilien führen wir normalerweise mit der TAP durch, weil diese portugiesische Airline für uns die kürzere und schnellste Strecke zwischen Frankfurt und Recife über Lissabon bietet. Wir fliegen mittags los und sind wegen der Zeitverschiebung zum Abendbrot in Recife. Um rechtzeitig in Frankfurt zu sein, holt uns früh der Flughafentransfer Euroline vor der Haustür ab. So war es auch diesmal. Die Abfahrt wurde für 07:00 Uhr morgens vom Abholer vorgegeben. Rechtzeitig habe ich mich bemüht, das Reisegepäck, bestehend aus 4 Koffern und 2 Bordtaschen vor der Haustür in Position zu bringen. In Karlsruhe wohnen wir in einem Hochhaus in der 4. Etage. Ich stelle alle Koffer vor den Aufzug und drücke den Knopf. Kein Aufzug kommt. Es stellte sich sehr schnell heraus, dass der Aufzug defekt war. Es blieb mir nichts anders übrig, als das gesamte Gepäck peu a peu herunter zu schleppen und immer wieder bis zur 4. Etage hochzulaufen. Da man bei der Abreise voller Freude und Begeisterung ist, habe ich diese Aufgabe als Morgensport gelassen hingenommen, zumal so etwas so schnell nicht wieder kommen wird……..

# 2 Holprige Anreise

Beim Scheck-in am Frankfurter Flughafen musste ich erfahren, dass der Abflug nach Lissabon eine Stunde Verspätung hatte, was problematisch für den Anschlussflug von Lissabon nach Recife zur Folge hätte. Als ich in Lissabon ankam, wurden meine Frau und ich schon vom TAP-Personal in Empfang genommen und darüber informiert, dass der Weiterflug nach Recife um 16:00 Uhr nicht erreicht werden kann. Wir sollten uns um die nächste Maschine kümmern. Die Airline würde für diese Verspätung keine Kosten übernehmen. Eine weitere Maschine nach Brasilien wäre um ca. 24:00 Uhr möglich, allerdings nicht nach Recife sondern nach São Paulo in Südbrasilien. Diese Stadt liegt etwa 3.000 Km von Recife entfernt (Anm. d. R.: das ist Luftlinie etwa die Strecke von Frankfurt nach Fuerteventura). Für den Anschlussflug von São Paulo nach Recife müssten wir uns um eine brasilianische Airline kümmern. Und so kam es auch. Bis wir in Recife am Folgetag mittags eintrafen, waren wir ca. 24 Stunden unterwegs! In unserem Domizil in der Nähe von Recife konnten wir uns dann von den Strapazen ausruhen.

# 3 Die unerwartete Überraschung

In der Zeit bis Weihnachten waren wir mit Gästen im Kreis der Familie beschäftigt, die uns von verschiedenen Regionen Brasiliens besuchten. Bei Jahresbeginn 2020, als die Gäste weitestgehend abgereist waren, hörte meine Frau und ich in den brasilianischen Medien, dass in China ein bösartiges Virus ausgebrochen wäre. Man schenkte dafür in der brasilianischen Presse wenig Bedeutung, da China sehr weit von Brasilien liegt. Es dauerte aber nicht lange, da kam eine Nachricht von unserem Reisebüro – Reiseland – von Karlsruhe, wo wir unsere Brasilien-Reise gebucht hatten. Das hieß es lapidar, dass die TAP unseren Rückflug nach Deutschland vom 28. April 2020 gecancelt hätte. Alternativen mit derselben Airline wurden nicht angeboten. Der Flughafen in Recife wurde für internationale Flüge geschlossen, da die brasilianischen Regierung davon ausging, dass das Virus aus Europa hineingeschleppt wurde.

# 4 Enttäuschte Hoffnung

Durch den laufenden Kontakt mit dem deutschen Reisebüro kam plötzlich eine vielversprechende Nachricht, an einer Rückholaktion der deutschen Regierung teilzunehmen. Meine Frau und ich haben uns anschließend im von der deutschen Botschaft vorgegebenen Internet-Seite eingeschrieben und wurden daraufhin als gestrandet von der deutschen Botschaft aufgenommen. Wir waren begeistert und von einigen deutschen Freunden für diese Aktion beglückwünscht. In den deutschen Nachrichten, die ich täglich über Mediathek in Brasilien sah, konnte ich mich jedes Mal freuen, wenn deutsche Regierungsbeamte oder selbst der Außenminister über den Erfolg der deutschen Regierung von Rückholaktionen sprachen oder sogar im Bundestag vortrugen. Da dachte ich für mich: „bald bin auch ich dabei“. Durch tägliche Nachrichten von der deutschen Botschaft, die mir per E-Mail übermittelt wurden, wurden mir Flüge von der Lufthansa ab São Paulo aufgelistet. Ich wohnte aber drei Tausend Kilometer nördlich von São Paulo. Nachdem ich einige dieser Listen erhielt und keine Rückholaktion erkennen konnte, habe ich die deutsche Botschaft angeschrieben und die Lage dargestellt und Fragen gestellt, z. B. wie komme ich von Recife nach São Paulo oder für wann ist mein Flug mit der Lufthansa nach Frankfurt geplant bzw. für wann hat die Botschaft meinen Flug vorgesehen. Welche Unterlage muss ich der Lufthansa für den Rücktransport vorlegen. Die Antwort der deutschen Botschaft kam relativ schnell und kurz gehalten mit den Worten: „die deutsche Regierung führt Rückholaktionen nur bei den Ländern durch, bei denen keine kommerziellen Airlines fliegen dürfen, was nicht der Fall Brasiliens sei. Auf meine Frage hin, warum ich dann als gestrandet bei der deutschen Regierung bestätigt wurde, erhielt ich bis heute keine Antwort, und die tägliche Übermittlung von Listen mit Flügen der Lufthansa von São Paulo nach Frankfurt wurde prompt eingestellt. Nach meiner persönlichen Ansicht stellte sich diese Aktion im Nachhinein gesehen als Flop und Aktionismus heraus. Es machte den Eindruck, dass das auswärtige Amt hier Humanität vorgetäuscht hat.

# 5 Nur weg nach Deutschland – egal wie

Nach dieser „Pleite“ der so hoch angepriesenen Rückholaktion, bemühte sich weiter das deutsche Reisebüro in Karlsruhe, mit der TAP Alternativen ausfindig zu machen. Nun wurde mir seitens der TAP der 22. Mai angeboten. Habe sofort positiv geantwortet und begann schon langsam, die Koffer aus den Schränken zu holen. Kurz darauf hat die TAP auch diesen Termin gestrichen und auf den 1. Juni verschoben. Als meine Frau und ich uns für diesen Rückflugtag vorbereiteten, kam eine erneute Hiobsnachricht vom deutschen Reisebüro, dass die TAP zum wiederholten Male auch den Termin vom 1. Juni gestrichen hätte und man würde nunmehr den 1. Juli anbieten. In dieser gesamten Zeit von Mitte April bis Mai wurde die brasilianische Politik zunehmend undurchsichtiger bzw. chaotischer. Die Gouverneure der 27 Bundesländer Brasiliens hatten verfassungsgemäß ein zeitlich unbefristetes Lockdown der Menschen beschlossen mit Ausnahme von lebensnotwendigen Einrichtungen, wie Supermarkt, Apotheken, etc. Der Präsident war von vorneherein gegen diese Maßnahme, da dadurch die Wirtschaft leiden würde. Da er in diesem Falle nicht gegen den Wille der Gouverneure entscheiden konnte, hat er fast täglich neue Dekrete erlassen mit Ernennung von neuen „lebensnotwendigen Einrichtungen“, so dass zum Schluss selbst z. B. Friseursalons, Schuhputzer, Hobbycenter, etc. etc. als lebensnotwendig eingestuft wurden. Es fehlten nur noch Nachtklubs! Die Verunsicherung der Bevölkerung wuchs bzw. wächst weiter. Damit das Volk wieder der Arbeit nachgeht, propagiert er heute noch, dass die Menschen schon bei schwachen Corona-Virus-Symptomen das gegen Malaria zugelassene Hidroxychloquin-Medikament schlucken sollten, obwohl dieses Medikament gegen Corona nicht zugelassen ist und sogar tödlich sein kann. Zwei ernannte Gesundheitsminister, die von Beruf Arzt sind, wurden vom Amt gefeuert, weil sie mit diesen Maßnahmen und Methoden des Präsidenten nicht einverstanden waren. Momentan wurde ein General als Gesundheitsminister ernannt, der im Militärdienst als Fallschirmspringer ausgebildet wurde….. Das sagt schon alles. Er soll den Weg zur Zulassung des Medikaments gegen das Corona-Virus frei machen! (Erinnerung an die Nazi-Zeit!)
Während dieser chaotischen Situation sterben in Brasilien tausende von Menschen. Deshalb haben meine Frau und ich beschlossen, das Land auch ohne TAP schleunigst zu verlassen und einen nächsten Flug mit einer anderen Airline zu buchen, wissend, dass dadurch wir für die Rückreise doppelt zahlen müssten, zumal der Rückflug bei der TAP bereits gezahlt ist. Die Divise war: Nur weg nach Deutschland, egal wie.

# 6 Das Schlamm-assel

Also buchten wir bei der brasilianischen Airline LATAM. Abflug am 21. Mai um 16:00 Uhr ab Recife nach São Paulo und von dort am selben Tag um 23:55 Uhr nach Frankfurt. In der Nacht vom 20. auf 21. Mai hat es „geschüttet“ in Recife. Da unser Landhaus auf einer Bergebene liegt und die Straße dorthin nicht gepflastert ist, kann es für ungeübte Autofahrer beim Hochfahren wegen der Rutschgefahr problematisch werden. Wegen des starken Regens haben wir die Fahrt zum Flughafen deshalb um eine Stunde verlängert. Zum Glück, denn der bestellte Taxi-Fahrer kam bei der Abholung den Berg nicht hoch. Er blieb Mitten im Berg stehen und musste etwa 600 Meter bis zum Eingangstor zurückfahren. Was tun? Das Reisegepäck und wir waren oben und das Taxi unten und dazwischen 600 m Schlamm! Es blieb nichts anders übrig, als das Gepäck den rutschigen Berg hinunter zu schleppen. Gott sei Dank haben wir einen Hausmeister, der mit einer Schubkarre Koffer für Koffer hinunter transportierte und wir eine halbe Stunde später hinterher liefen. Den Schlamm an unseren Schuhen musste der Taxi-Fahrer später von seiner Fußmatte im Auto selber entfernen. Wir waren aber schließlich pünktlich im menschenleeren Flughafen von Recife.

# 7 Es lebe die brasilianische Perfektion!

Als ich nach dem Scheck-in in Recife die Bordkarten in Ruhe studierte stellte ich fest, dass der Flug von São Paulo nach Frankfurt nicht wie gebucht und bestätigt um 23:55 Uhr erfolgte sondern 4 Stunden später, d. h. um 03:55 Uhr. Eine erste Prüfung durch die LATAM-Bürochefin ergab, dass die Bordkarte falsch ausgestellt wäre. Viertel Stunde später revidierte sie ihre Feststellung dahingehend, dass die Karte doch richtig sei und man eine vierstündige Verspätung am Flughafen Guarulhos in São Paulo in Kauf nehmen müsse. Während des Fluges nach São Paulo prüfte ich erneut die Bordkarte und stellte mit Schrecken fest, dass der ursprünglich für den 21. Mai um 23:55 Uhr bestätigte Flug von São Paulo nach Frankfurt auf den 21. Mai um 03:55 Uhr verlegt wurde, d. h. sachlich gesehen, war das Flugzeug bereits weg! Aufgeregt haben wir das Büro der LATAM in São Paulo sofort aufgesucht und um Klärung gebeten. Da wurden wir aufgeklärt, dass erstens: der zunächst bestätigte Flug vom 23:55 Uhr in der Realität gar nicht gebe, deshalb die Änderung auf 03:55 Uhr und zweitens sei das Computer-System der Airline falsch programmiert, deshalb die ganze Verwirrung mit Datum und Uhrzeit! Es lebe die brasilianische Perfektion!

# 8 Versorgungsengpass und Happy End

Als wir glücklich von São Paulo nach Frankfurt unterwegs waren und nach 9 Stunden Wartezeit am Flughafen in São Paulo hungrig und durstig auf die erste Mahlzeit im Flieger warteten, wurden wir vom Flugpersonal aufgeklärt, dass wegen der Corona-Krise die weiteren 12 Stunden Flugzeit die Airline nur 2 kleine Schokoladenkekse und 1 Liter Mineralwasser verteilen würde.

Als wir endlich nach Hause in Karlsruhe ankamen, hatten wir doch noch zwei glückliche Momente:
Erstens: Der Aufzug war repariert und ich musste nicht die Koffer 4 Etagen hoch schleppen (beim Hinflug musste ich das Gepäck hinuntertragen) und Zweitens: die Nachbarin hatte vielleicht ahnend auf unserem Hunger für uns eine leckere Mahlzeit gekocht und der Ehemann hat eine Flasche Rotwein dazu gestellt. Ach ist das Leben schön……..

2 Kommentare
  1. 26. Juni 2020
    • 7. Juli 2020

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