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Seminarerlebnis Rai Reiten & Native Horsemanship – Tag 2

Am ersten Tag haben wir einige theoretische Basics erhalten, die uns am Tag darauf halfen, die praktischen Übungen besser umzusetzen. Hier der Blogbeitrag zum ersten Tag. Hättet Ihr die Antworten auf die beiden Quizfragen gewusst? Unten löse ich sie auf.

Heute ging es um die Frage: Wer bewegt wen?

Am Sonntag ging alles darum, wie man das Vertrauen und den Respekt eines Pferdes gewinnt, damit es sich beim Menschen sicher fühlt. Sicherheit ist für ein Fluchttier besonders wichtig, denn das verschafft ihm Ruhe zum Fressen und Schlafen und Sicherheit, beruht auf bedingungsloses Vertrauen darauf, dass der natürliche Leader schon alles gut richten wird. Die Dominanz, die beim Rai Reiten oft kritisiert wird, hat nichts damit zu tun, das Pferd zu brechen und mit diktatorischer Autorität Dinge zu verlangen, die das Pferd nicht von sich aus geben möchte. Dominanz versteht ein Rai Reiter damit, dem Pferd zu sagen, dass der Mensch ein guter Leader ist und dass es ihm sein Leben anvertrauen kann. Das Ziel ist auch hier, eine Partnerschaft zwischen Mensch und Tier einzugehen, das auf Vertrauen und gegenseitigem(!) Respekt basiert: Das Pferd respektiert die „dominante“ Rolle des Menschen und wägt sich in Geborgenheit, der Mensch achtet und respektiert das Pferd als Partner, achtet so auf alle seine Bedürfnisse und schützt es vor den „Gefahren“ in der „Wildnis“.

Das Besondere an diesem Tag war nun, dass nicht WIR den Pferden etwas beibrachten, sondern die Pferde UNS. HORSES TEACHING PEOPLE™ wurde die Methode von GaWaNi PonyBoy [Video] getauft, angelehnt an das indianische Pferdetraining, und wahrlich, wir wurden unterrichtet! Wer vom Horseman Pat Parelli das Circling Game und das Driving Game kennt, wird Ähnlichkeiten sehen.

Aber von vorne: Richtig toll fand ich, dass uns auch etwas über die physische Beschaffenheit von Hufen beigebracht wurde. Auf der Stone Hill Ranch sind alle Pferde Barhufer (laufen ohne Eisen). Walter zeigte uns, was ein gesunder Huf ausmacht, warum ein guter Hufpfleger besser als ein guter Hufschmied ist und warum domestizierte Pferde diesen Service brauchen und freilebende nicht. Auch der Kies im Roundpen hat einen Sinn, denn dieser ist wie eine Fußmassage und aktiviert den Blutkreislauf im Huf. Nebenbei wurde außerdem gezeigt, wie mit einem Strick um den Huf oder das Pferdebein, Schrecktraining gemacht werden kann, was Panikattacken vermindern soll, sollte das Pferd mal in irgendwas hängen bleiben.

t2-Hufe-Schrecktraining

Walter erklärt an Sori warum es sich lohnt, das Pferd barhuf laufen zu lassen.

Wann und warum ein Pferd von uns weggeschickt werden soll, demonstrierte dann die nächste Praxiseinheit. Der Ursprung kommt auch hier wieder aus der Natur: Das ranghöhere Pferd bewegt das rangniedrigere. Das sehen wir regelmäßig beim Futter, an der Tränke und auch so zwischendrin. Dabei ist die Körperhaltung und auch die Stimme (zweiteres eigentlich nur für uns Menschen), die beste Möglichkeit auszudrücken, was man vom Pferd möchte. Auch das Timing und die Position sind besonders wichtig bei dieser Übung. Indem wir erst mal mit einer Trockenübung anfingen, bei welcher wir selbst Pferd waren, bekamen wir ein wenig das Gefühl davon, wie Druck auf das Tier wirken kann.

t2-Trockenuebung

Von der Mitte aus wurde den Teilnehmerinnen ein Gefühl gegeben, wie sich Druck auf Geschwindigkeit und Richtung auswirkten.

Dann kamen die Pferdchen an die Reihe, die uns nun zeigen durften, ob wir zum natürlichen Leader taugen oder nicht. Jeder kam mal an die Reihe und natürlich wurden auch alle paar Minuten die Pferde gewechselt – keins der Tiere war länger als 20 Minuten im Roundpen. Die Übung ging folgendermaßen: Als Hilfsmittel war nur ein Seil (Rope) und alle Kreativität, Körper- und Stimmaktivitäten erlaubt. Die Übung war, das Pferd in allen vorgegebenen Gangarten zu bewegen und auch mal links- und rechtsherum zu bewegen. Ziel der Übung ist das Vertrauen und den Respekt des Tieres zu gewinnen. Es zu berühren (egal ob streicheln und schon gar schlagen), war nicht erlaubt. Streicheln auch nicht als Belohnung (das war schlimm, man will sie ja sooo gern immer knuddeln! 😀 ) – denn wo streichelt ein Herdenanführer in einer Herde, seine rangniedrigeren Partner, wenn sie weichen? Eben.

t2-Pferd-schicken

Teilnehmerin bewegt das Pferd im Roundpen mit ihrer Körpersprache, Stimme und einem Rope

Dadurch, dass die Pferde immer wieder gewechselt wurden, kamen viele Pferdecharakterenen in den Roundpen. Von sehr jungen und sensiblen Arabern, über enorm träge und clevere Ponys (die genau wussten, was sie zu tun hatten, um sich nicht bewegen zu müssen). Dass die Frage der Dominanz so entscheidend dafür ist, wer wen bewegt, bewies uns Pinu, ein Isländerwallach sehr deutlich: Als eine Teilnehmerin in der Mitte sich nicht als natürlichen Leader beweisen konnte, ging Pinu dazu über, selbst den Menschen bewegen zu wollen. Er fing an die Ohren anzulegen und den Abstand zur Teilnehmerin zu verringern. Als Fluchttier sagte sein Instinkt, dass er besser für die Herde sorgen kann, als der Mensch im Roundpen. Der Respekt von ihm war binnen weniger Minuten verloren und die Teilnehmerin brauchte jetzt Hilfe von den Trainern, wenn sie dem Herr werden wollte (was natürlich sofort erfolgte).

Jedes einzelne Pferd zeigte uns, ob wir zu viel oder zu wenig Druck machten, ob es für es angenehm oder unangenehm war. Wir lernten dabei, auf den Ausdruck des Pferdes zu achten und manche waren offen wie ein Buch. Wir sahen, ob sie Lust an der Bewegung hatten, ob sie genervt waren oder ob sie drauf und dran waren, das natürliche Spiel um den Rang zu gewinnen. Beim jungen Araber Sharon (3 Jahre) sah man seine vielen Fragezeichen, da er das Spiel noch nicht kannte. Schön anzusehen war es, dass Sharon trabend hinter seinem Frauchen her lief, als das Publikum „komische Geräusche“ mit den Händen machten (Applaus). Hinter ihrem Rücken hat er sich dann „versteckt“ – sehr süß 🙂 Dieses und andere Beispiele während der Freiarbeit zeigten uns, dass das Pferd seine Sicherheit, hinter dem Herdenanführer findet.

Native Horsemanship ist weder Kunst- noch Hexenwerk, jede(r) kann es. Und wer sich als Teilnehmerin als natürlichen Leader im Auge des Pferdes bewiesen hat, wurde darin belohnt, dass das Pferd ihr durch den gesamten Roundpen folgte, freiwillig – das Tolle war: Jede von uns hat es geschafft und konnte das Vertrauen des Pferdes gewinnen!

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Pferd läuft einer Teilnehmerin ganz entspannt hinterher. Beide kannten sich vorher nicht.

Als jede ein- oder zweimal vom Pferd lernen konnte, kam für die Anfängerinnen noch eine kleine Reitübung hinzu. Ohne Sattel sollten sie auf dem Pferd den Takt erfühlen und mal im Schritt und mal im Jog laufen (Jog liegt zwischen Schritt und Trab und ist ohne Schwebephase). Sogar unsere ängstlichere Teilnehmerin hat sich, nach über 20 Jahren (!) wieder auf ein Pferd gesetzt und war danach nur noch am Strahlen, es gewagt zu haben 🙂

t2-RAI-Reiten

Teilnehmerinnen hatten eine kleine Bareback-Runde

Nach dem kleinen Reiterlebnis wurde uns an der Tinkerstute Gipsy noch ein paar Übungen gezeigt, wie wir das Pferd sanft im Stand dehnen können, auch um festzustellen, ob es irgendwo verspannt ist oder Schmerzen hat. Ich fand das äußerst lehrreich und ein runder Abschluss, eines erlebnis- und lehrreichen Tages.

t2-Gymnastizierung

Walter zeigt, wie man den Körper eines Pferdes dehnen kann, auch um Verspannungen zu entdecken.

Fazit: Mehr davon!

Schritt für Schritt fügen sich alle Wissenspuzzelteile zu einem Ganzen. Als ich vor knapp zwei Jahren mit der Idee aufwachte, dass es da noch mehr geben müsse als den Zwang am Pferd in klassischen Reitschulen, verschlang ich Bücher, Videos und erfuhr von der Stone Hill Ranch. Das Team hier macht einen richtig guten Job und man merkt mit allem was sie tun und sagen, dass ihre Herzen den Pferden und allen anderen Tieren dort gehören. In diesem Kurs wurde mir nochmal klar, dass ein Dialog mit den Tieren nur funktionieren kann, wenn alle Bedürfnisse erfüllt sind und der Mensch die Zeichen der Pferde deuten und interpretieren kann und muss. Erst dann kann die Resonanzbeziehung entstehen, die auf Vertrauen und gegenseitigem Respekt aufbaut. Im Oktober geht es mit dem dritten und vierten Kurs weiter – und ich kann es kaum erwarten 🙂

Quizauflösung

Frage 1: Eine Pferdeherde kommt an ein Wasserloch, alle haben Durst. Wer trinkt zuerst? Sind es die starken Tiere oder dürfen/müssen die schwachen zuerst?
Lösung: Die Natur hat es so eingerichtet, dass zuerst die Leitstute und der Leithengst ihren Durst löschen dürfen, da dies zur Arterhaltung beiträgt. Denn sie geben die starken Gene in der Zukunft weiter und sorgen in der Gegenwart für das Überleben der Herde.

Frage 2: Eine Pferdeherde drängt sich zusammen, um sich vor einer Gefahr zu schützen. Welche Pferde stehen in diesem Schutzkreis außen, welche innen? Wo stehen die schwächeren, wo die stärkeren?
Lösung: Auch hier gilt: Die starken Tiere müssen geschützt werden, damit die Art erhalten bleibt. So stehen in jedem Fall starke Pferde wie Leitstute und Leithengst im Kreis und alle schwächeren Pferde drum herum.

Mich würde interessieren: Wie lernt Ihr die Sprache der Pferde? Hattet Ihr bereits Kurse besucht? Welche Bücher lest ihr, wer inspiriert Euch?

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