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Slowenien: gib dein Ziel nicht auf

Leicht im Verzug, doch hier ist mein 8. Tagebucheintrag: zu Fuß durch Slowenien entlang des Alpe-Adria-Trails. Heute: der Aufstieg zum Krn (2.244 hhm). Du hast die anderen Geschichten verpasst? Dann lies sie hier nach:



Wenn aus einer fixen Idee…

Es war wie immer eine der Ideen, wo ich mich frage: war das nötig? Hm. Im Nachhinein war es das nicht wirklich und irgendwie doch. Schon bei meiner Recherche zu Slowenien kribbelte es mir an den Füßen, den Krn zu besteigen. Allerdings waren da knapp 8 km und 1.640 Höhenmeter zu bewältigen. Hm.

Spontan kann auch mal schief gehen – aber…

Doch da bin ich nun: in einem Ort, der mir schon beim bloßen Anblick ans Herz ging. Imposant die Dorfmitte mit der schneeweißen Kirche, umrahmt von einer Gebirgskette der julischen Alpen – Dreznica. Und dann erst diese freundlichen Menschen hier. Ich habe mich gestern spontan in einem B&B Apartment eingenistet, aus Mangel an Campingplätzen. Am Frühstück entschied ich: ich möchte nun doch auf den Krn! Diese Tour bedeutet rund 10 Stunden Wandern und das wiederum: ich muss noch eine Nacht in Dreznica bleiben. Doch oh weh: das Apartment ist für die nächste Nacht schon ausgebucht!

Glücklicherweise war die Alternative schnell gefunden, wenn auch teurer. Egal. Ich. Will. Da. Hoch. Punkt. Um 8:40 Uhr gehts los: auf zum Krn!

Alles fängt gemütlich an

Es geht gut bergan, doch die letzten Wandertage machen sich konditionell bemerkbar. Mit leichtem Tagesrucksack fühlt sich der schattige Waldweg wie ein Spaziergang an und ich genieße ihn sichtlich. Vorbei an den Dreznica-Ziegen die grasend auf einer schön gelegenen Weide stehen, geht es weiter bergan und wieder rein in den Wald.

Der Schwierigkeitsgrad steigt

Dann wird der Weg schmaler – sehr viel schmaler. Hinter mir höre ich Menschen: ein Pärchen schreitet flott an mich heran und an mir vorbei. Er: barfuß. Wahnsinn, denke ich mir und fühle mich in meinen dicken Wanderschuhen wie eine Elefantendame.

Etwas weiter oben hole ich sie dann wieder ein: „sollen wir links oder rechts herum?“ Fragen sie mich. Ein Blick auf die App macht mich zwar nicht schlauer, aber ich sage mal: „links herum!“ Was natürlich prompt falsch ist. Dafür gibt es aber eine Entdeckung: eine Kaverne aus dem 1. Weltkrieg liegt hier mitten im Berg, darin drei kleine Räume. Italienisch-österreichische Geschichte.

Jetzt wird’s ernst

Also dann rechts herum: Auf dem ersten Grad schließlich angekommen, kann ich nicht glauben, was ich sehe: Serpentine um Serpentine schlängelt sich der Wanderweg geradewegs zur Krn-Hütte hoch, die ich anfangs fälschlicherweise für den Gipfel hielt. Der Weg ist für mich extrem beschwerlich, fast ausschließlich Geröll liegt hier, was die Oberschenkel zusätzlich brennen lässt.

Gib dein Ziel nicht auf!

Und da siehst du von unten dein Ziel an und denkst, es kommt nicht näher. Ich quäle mich. Jeder Schritt brennt in den Füßen und Beinen. Mein Magen knurrt und mir fällt ein: ich habe seit 4 Stunden nicht eine einzige Pause gemacht. Warum mache ich so wenig Pausen? Ich esse auch kaum etwas. Jetzt zwinge ich mich – und genieße dabei den unbeschreiblich schönen Ausblick. Zumindest etwas.

Der Zweifel nagt

Verdammt, die Hütte liegt direkt über mir und ist immer noch so weit weg. Menschen überholen mich wie Gazellen oder kommen mir bereits entgegen. Sorgen kommen auf: Was, wenn ich es vor Dunkelheit nicht mehr zurück nach Dreznica schaffe? Ich überlege umzukehren.

Noch ein Schritt. Und wieder einer. Die Sonne brennt jetzt erbarmungslos auf mich herab und natürlich hatte ich vergessen, mich einzucremen. Blöde Kuh. Da musst du jetzt echt durch.

Warum will ich das eigentlich?

Der Gedanke ans Umkehren kommt immer öfter. Warum soll ich da hoch? Was bringt mir das? Sind mir die schönen Bilder vom Gipfel das wert? Aber geht es mir wirklich nur darum? Nein.

Dann legt sich der Schalter um

Mein Gesicht fühlt sich wie ein gekochter Krebs an – und sieht vermutlich auch so aus. Der Blick auf die Uhr sagt: wenn du den Abstieg um spätestens 14 Uhr beginnst, reicht das trotzdem noch gut, im Hellen in Dreznica anzukommen. Dann legt sich der Schalter um. Schritt für Schritt. Einer nach dem anderen. Und die Hütte kommt immer näher.

Auf der Krn-Hütte – aber…!

Ich fasse es nicht: ich bin auf der Krn-Hütte! Aber: oh weh! Das ist nicht der Gipfel. Schilder und App besagen: es geht noch weiter hoch – immerhin noch 10 Minuten. Ich bin einfach fertig. Muss überlegen. Aber jetzt umkehren?

Kurze Verschnaufpause. Einmal hinsetzen und die gigantische Aussicht genießen. Die ersten Paraglider spielen um den Gipfel – was würde ich darum geben, jetzt meinen Flügel dabei zu haben… Starten, abheben, genüsslich fliegen und gemütlich im Tal landen… Verdammt nochmal. Ich will da hoch. Dann beschließe ich den Aufstieg.

Nur noch einmal zusammenreißen

Die letzten Meter zum Gipfel sind noch schwieriger als der Serpentinenweg zuvor. Zwar sind teils noch Stufen eingelassen – doch die sind zu vernachlässigen. Das hier hat nichts mehr mit wandern zu tun, das ist alpines Gelände aus dem Lehrbuch. Aber verdammt geil. Ich bin oben. ENDLICH!!!

Auf dem Gipfel

Die Aussicht wird nicht ohne Stolz aufgesogen. Ich habe nicht aufgegeben. Selbst an meinem schlimmsten Tiefpunkt auf dem Weg nach oben, ging ich weiter. Verdammt, fühlt sich das gut an, für etwas zu kämpfen, das man wirklich will!

Fünf Stunden benötigte ich für den Aufstieg, runter hoffe ich auf weniger. So wirklich Erfahrung im Bergwandern habe ich keine, daher werde ich diese heute sammeln. Auf gehts: 1.640 Höhenmeter wieder runter.

Der Abstieg

Ich halte mich für eine sehr langsame Wanderin. Gerade hier zwischen dem Geröll möchte ich keinesfalls stürzen – und tu es dennoch zwei mal. Harmlos, glücklicherweise. Aber: ich bin lieber langsam als unachtsam. Mir kommt das Pärchen mit dem Barfußmann entgegen: sie machten Mittagspause und sind jetzt auf dem Weg zu Gipfel. Für mich geht es direkt weiter runter.

Zwei Männer im Wald

Rund zwei Stunden später kommen mir zwei Männer auf dem Pfad von Dreznica entgegen. Wo denn der Gipfel sei, fragt mich der hintere und ich zeige ihm die Hütte. Dort, und dann noch 10 Minuten weiter erkläre ich ihm. Er schaut mich schon jetzt total geschwitzt und fertig an und ich hoffe für alle beide, dass sie rechtzeitig erkennen, wann es Zeit für den Abstieg ist. Es ist bereits 15:30 Uhr.

Immer weiter runter

Eine letzte Begegnung mit dem Pärchen gibt es noch beim Abstieg, und der Barfußmann hält immer noch tapfer durch. Das glaubt mir ja niemand, wenn ich das erzähle, zumal ich jedem nur ans Herz legen kann, gutes und festes Schuhwerk für die Besteigung anzuziehen. Aber so ist jeder sehr individuell.

Um halb sechs bin ich wieder in Dreznica – ziemlich fertig und verdammt glücklich. Von meinem Apartment hole ich mir meinen großen Rucksack (den konnte ich dort lassen), denn leider muss ich umziehen. Mein neues Reich ist aber nicht weit und mein neuer Host Natasa begrüßt mich aufs herzlichste, bittet darum, ihre Äpfel im Garten zu essen und bringt mir später sogar noch ein kühles Bier. Das und die Dusche machen mich dann auch wieder zu dem Menschen, der sich unter andere ihresgleichen traut. Wenige Gehminuten weiter nämlich, befindet sich ein Restaurant. Zum Abschluss eines erfolgreichen Wandertages, genieße ich das komplette Menü. Stärkung kann ich nämlich gut gebrauchen: Morgen steht die letzte und für mich längste Etappe auf dem Alpe-Adria-Trail an. 22 km nach Tolmin.


Zum nächsten Tagebucheintrag: 10 Tage. 100 km und 1000 Erlebnisse reicher (Ankunft in Tolmin)

4 Kommentare
  1. 30. August 2018
  2. 24. Mai 2020
    • 27. Mai 2020

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